Donnerstag, 13. August 2009

Grün ist ein schöne Farbe! (Tommy Dätwyler)

Endlich: Die Vegetation hat uns wieder / nach 18 Tagen in Schnee und Eis sind wir gestern ins Basislager abgestiegen. Zuerst stundenlang über Gletscher und Eis, dann über Moränen und schliesslich über grüne Matten / entlang von Flüssen und Bächen hinunter ins Lager 1. Eine Offenbahrung! Dann die дуенеу letzte Nacht im Zelt/ Wir haben Rückenwind und Heimweh!

Zurück in der Zivilisation (Matthias Gutmann)

Ich sitze in grosser Hitze in einem sogenannten WEB KAKA office und quaele mich - nach Natur pur, frischer Luft etc.., - mit einer Kyrillischen Tastatur ab. Hab soeben die letzten Bilder ans Radio verschickt. Nach einem wunderschoenen Rueckmarsch nach Ashik Tash und einem spektakulären Flug mit einer russischen Antonov (Doppeldecker) nach Osh geht dieses Projekt, kaum hat es begonnen, seinem Ende entgegen. Matthias Gutmann

Dienstag, 11. August 2009

Ein Moment der Stille (Jasmina Meier)

Ein Moment der Stille, der Kontemplation, des Rückblicks und des Geniessens. Ich sitze auf einem flachen schwarzen Granitstein auf der Moräne vom Lager I - um mich herum „chnüsperlet“ es wie mit frischer Milch übergossenen Rice Crispies und in der Ferne höre ich Fels- und Gletscherabbrüche. Über den Gipfeln das Windrauschen und die Wolken blasen über die Krete des Pik Lenin - nur zu gut kann ich mir die Stärke des eingetroffenen Jetstreams vorstellen und bin froh, dass wir während der Gut-Wetterperiode den Berg ganz oder teilweise besteigen konnten.

Ich habe wieder die ausgemergelten Gesichter jener vor mir, die vom Gipfel nach 12 Stunden erschöpft zurück kamen, und für die ich zusammen mit Anderen wie in der Heilsarmeeküche zuvor pfannenweise Schnee schmolz, um sie mit heissem Wasser empfangen zu können.
Was für uns selbstverständlich war, jedoch nicht auf allen Expeditionen üblich, zeugt von dem engen und wohlwollenden Zusammenhalt unserer grossen Gruppe. Alle begegnen sich untereinander mit Wertschätzung über die individuell erbrachte Leistung und nehmen Anteil am Befinden der einzelnen Teammitglieder. Als ich in der zweiten Nacht im Lager III vor Atemnot weder schlafen noch liegen konnte war ich enorm dankbar um die nächtliche Mithilfe meiner Zeltpartnerin, um für mich ein „Sitzbett“ mit Polstern und zusätzlichen Kleidern unter meinem luftleeren Mätteli auf gefrorenem Boden zu errichten.

Ich erinnere mich an die vielen Gespräche vor den Zelten über die Chancen, Risiken, Unfälle und Erfahrungen in solcher Höhe – auch vor Ort, und dass ich mich gerne davor zurückzog, um „bei mir zu bleiben“, um meine Aufmerksamkeit auf den gegenwärtigen Moment und meine Energie zu halten.

Jetzt, am letzten Tag im Lager I, nachdem alle Hochlagerzelte neu aufgestellt, kontrolliert und wie auch das Forschungsequipment verpackt wurde, macht sich bei uns Aufbruchstimmung breit.

Auch ich freue mich auf die Heimreise und meine Liebsten zuhause. Im Basislager Ashik Tash werde ich der Kirgisenfamilie mit der ich vor 2 Wochen eine spontane herzliche Begegnung teilte ein paar Geschenke anbieten. Noch ist das momentane Gefühl undefinierbar, und es braucht wahrscheinlich erst das Heimkommen, um die Vielfalt und Einzigartigkeit dieser Reise zu erfassen. Doch ich spüre die Dankbarkeit, diese Welt der Grenzen und Höhen und Tiefen in mir und um mich erfahren haben zu dürfen – und dass wir alle wohlbehalten die Heimreise antreten können.

Jasmina Meier

Wehmut - und Freude auf Daheim (Matthias Gutmann)

Ist schon komisch - vor ein paar Tagen drehte sich noch alles um den Gipfel, die Forschung um die persönliche Grenzerfahrung. Hohe Gefühle.
Nun räumen wir bereits auf, die 40 Hochlagerzelte liegen im Lager eins und wir stellen jedes einzelne kurz auf, kontrollieren und putzen.
Beim Hineinkriechen kommen wieder die Gefühle hoch, wie wir in den Hochlagern diese unsere Behausungen so geschätzt haben. Es neigt sich alles dem Ende zu - nur die Pik Lenin Wand ragt weiter über uns, ruhig und überlegen. Wir werden gehen und nur eine kleine Episode für den Pik Lenin sein. Er wird mich aber ganz sicher ein Stück weiter begleiten und auf meiner Erinnerungsspur noch lange seine Kreise ziehen. Neben diesen wehmütigen Gefühlen freue ich mich jetzt aber auch ganz gehörig auf zu Hause, auf die Daheimgebliebenen und kann es kaum erwarten, in den nächsten Tagen die Heimreise anzutreten. Enorm auf welche Banalitäten ich mich plötzlich freue: ein Glas richtige Milch, einen feinen Cervelat vom Grill, ein gutes Glas Rotwein und und und...
Matthias Gutmann

Montag, 10. August 2009

Aufbruchstimmung im Lager 1 (Tommy Dätwyler)

Seit gestern ist das Lager 1 wieder bevölkert. Alle Expeditionsmitglieder sind "an Bord".
Das Wetter ist gut und so können Wunden und Boboli gepflegt, Material kontrolliert und getrocknet und mti den Lieben zuhause kommuniziert werden.
Die Stimmung ist gelöst, ab und zu sogar ausgelassen. Übermorgen verlassen wir den Gletscher und ziehen uns ins Basislager zurück.
Vorher heisst es aber noch aufräumen: Ueber tausend Kilogramm Material, von den Zelten über Stühle, Tische, Generatoren usw. werden von Eseln und Mulis ins nächst tiefer gelegene Camp transportiert.
Auch unsere schweren Sachen können wir mitgeben. Uns bleibt der Rucksack.

Langsam neigt sich auch die Berichterstattung über diese Expedition dem Ende zu. Es war nicht immer einfach: Von der Recherche bis zum Beitrag - das ist Routinearbeit. Aber die Bedigungen in dieser Höhe sind tatsächlich besonders. Outdoor zum einen - und technisch immer eine Herausforderung, das zum andern. Mal funktioniert der Kontakt zum Satellit nicht, mal streikt der Laptop wegen Kälte und Feuchtigkeit, oder die eigene Batterie steht im roten Bereich. Und so leert sich sich auch in diesen Tagen weiter, meine eigene Batterie. Und manchmal möchte ich einfach nach Hause. Ich glaub, ich habe einfach grad ein wenig genug. Genug von dem Guten, Schönen, Spannenden und herausforderungsreichen und mir eigentlich lieben Job hier. Eine Ausnahmesituation geht langsam zu Ende. Ich bin dankbar und müde dafür.
Tommy Dätwyler

Es bleiben die Glücksgefühle, das Unfassbare, das Gewaltige (Matthias Gutmann)

Vor knapp einer Woche bin ich vom Lager 1 aus gestartet. Ab ins Lager zwei, um dort das Forscherteam zu unterstützen und um dann weiteraufzusteigen ins Lager drei und allenfalls af den Gipfel. Ich hätte mir nicht träumen lassen, wie unterschiedlich diese Woche ausfallen würde. Ich habe während dieser Tage Tiefs und Hochs, Glücksgefühle, Angst, Schmerz, Hitze, Kälte, Atemnnot, Unlust, Appetitlosigkeit einfach alles erlebt. Nach schlaflosen Nächten auf 6100muM und einem unglaublichen Gipfeltag sitze ich nun wieder in der "Zivilisation", am Fusse der dominierenden Pik Lenin Wand, die wie ein Wächter über uns wacht und erhole mich. Das unbeschreibliche Gefühl auf dem Gipfel zu stehen, beginne ich nun langsam Ansatzweise zu verstehen. Es war einfach unglaublich - unbeschreiblich....
Mit grosser Ehrfurcht und auch viel Dank schaue ich auf die letzten Tage zurück.... aller Mühsal ist vergessen und es bleiben nur die Glücksgefühle, das Unfassbare, das Gewaltige - ein ganz kleiner Teil dieser dieser Welt zu sein...
Matthias Gutmann

PIK LENIN-EXPEDITION KOMPLETT IM LAGER 1 (Tommy Dätwyler)

Am Sonntag, 9. August um ca. 14.00 Uhr sind die letzten Mitglieder der Pik Lenin-Expedition aus den veschiedenen Hochlagern im Lager 1 auf 4400 Meter angekommen.
Es sind alle wohlauf! Morgen steht ein Regenrationstag auf dem Programm, bevor am Dienstag die letzten medizischen Untersuchungen durchgeführt werden.
Wir sind alle glücklich, dass die Expedition bis heute keinen schwerwiegenden Unfall zu verdauen hatte.
Tommy Dätwyler

Erfüllt von einem einmaligen Grenz-Erlebnis (Jasmina Meier)

3 Uhr morgens – es schneit und windet heftig. Es ist Gipfeltag – aufgrund der Wetterprognose einen Tag früher als geplant – und in den Zelten werden Glieder und Schnee in höhenbedingter Langsamkeit aufgetaut. Unterm gefrorenen Zeltdach ziehen wir alles an, was wir noch nicht bereits an hatten bis und mit Daunenjacke, während im Kocher der Schnee vor sich hin schmilzt. Es ist eiskalt und die Wärmesäcklein für Schuhe und Handschuhe wollen fast nicht warm werden.
Punkt 5 Uhr ist Abmarsch, der volle Mond steht hoch am Himmel und beleuchtet die umgebenden Gletscher und Gipfel.
Der Anstieg ist ein 'Chrampf'' von Beginn an, die Luft ist knapp, meine Beine sind schwer, jeder Schritt dauert Sekunden. Ja nicht hoch schauen, denn der steile Hang ist fast unendlich, sondern wie in Trance im eigenen Tempo kämpfe ich mich hoch. Auf 6450m, auf dem ersten Sattel, beim Camp IV wird mir klar, dass zwar die Fotobatterien voll geladen sind, meine körperlichen jedoch fast auf Null sind. Ob es der fehlende Ruhetag im Lager III war oder einfach nicht mein Tag – wer weiss. Während dem Andere wieder absteigen oder weiter aufsteigen, geniesse ich mit meiner Leidensgenossin die grandiose Aussicht über die Grenze und die Pamirkette nach Tatschikistan.
Sogar für ein paar Stücke auf der Ocarina reicht mir der 'Schnuuf'.
Mit Zufriedenheit über die erreichte Höhe als mein persönlicher Höhenrekord und die erbrachte Leistung, steigen wir zusammen ab und sind glücklich, das Camp III erschöpft aber bei guter Gesundheit erreicht zu haben. Es ist ein Geschenk, den Gipfel zu erreichen, doch es ist auch Gnade, seine Grenzen anzuerkennen und damit glücklich zu sein.
Gipfel hin oder her – ich bin erfüllt von diesem Grenz-Erlebnis und trotz Vorfreude auf erholsame Nächte und eine warme Dusche nehme ich mit etwas Wehmut Abschied von der beeindruckenden Höhe und Gebirgswelt auf über 6000m. Fast zu schnell geht es für mich wieder talwärts.
Mit schwerem Rucksack wieder im Lager I angekommen nahm ich wie ein feierliches Ritual ein erfrischendes Bad im Gletscherbach – das tut mir rundum gut nach all diesen körperlichen und psychischen Strapazen und ich fühle mich lebendig und erfüllt.
Und wie auf dem Zettel zum Empfang in meinem Zelt stand: 'Das echte Leben ist nicht der Gipfel (zwar manchmal schon...!)' finde ich diese ganze Reise ein Gipfelerlebnis.
Jasmina Meier

Freitag, 7. August 2009

Zu dritt auf dem Gipfel! (Tommy Dätwyler)

Ein letzter Funkspruch vom Gipfel hat die Freude noch getoppt:
Matthias Gutmann hat sich auch noch auf den Gipfel gekämpft. Wir haben
schon drei erfolgreiche Gipfelstürmer! Gratulation! Allen dreien!!
Tommy Dätwyler

Erster Gipfelerfolg am 7. August am Pik Lenin (Tommy Dätwyler)

Ein Morgen voller Bangen und Hoffen:
28 Testpersonen im harten Aufstieg ins Lager 3 - auf 6100 Meter über Meer. Drei Personen der Expeditionsleitung im Aufstieg zum kalten und windigen Gipfel. Dann kurz vor 12.00 Uhr :

"Urs vo Kari Antworte - wie wiit sender? Kari vo Urs - verstande - öppe 1 Stond vorem Gipfel - s esch hert ond kalt! antworte! - Verstande! das Packeder! ned ufgee - dert obe escher en Sauhond - aber de packeder! Antworte! - Mer gänd alles - maldenis weder - Schluss- Vel Erfolg - Schluss"

Und dann um 13.40 der erlösende Funkspruch:

"Kari - Kari vo Urs - mer send dobe! Antworte!
Verstande: Gratuliere Gratuliere - mer alli johle ond gratuliere"

Die Expedition hat ihren ersten Gipfelerfolg. Doch nicht nur das. Von den 28 im Lager 2 gestarteten Expeditionsmitgliedern sind 25 um ca 13.00 Uhr wohlbehalten im Lager 3 angekommen - drei hatten nicht den besten Tag erwischt und mussten ins Lager zwei zurücksteigen. Ein glücklicher unfallfreier Tag am Berg - dieser 7. August.
Tommy Dätwyler

Leiden am Berg: Neuigkeiten per Funkspruch

08.20 Uhr - Urs, Urs vo Kari - antworte - wo sender efängs?

Jo, Kari - mer send be der eigentleche Schlüsselstelle - be der Sichle
- antworte!

Was scho? Gratuliere - jetz öbers Grötli - denn rächts - dert esch es Fixseili - müend halt ächli im Schnee sueche - antworte!

Jo danke, s esch hert - mer biisse - extrem chalt - ond de Wind macht is z schaffe. antworte!

Jo Urs, ich weiss, de esch emmer dert obe en ständige unagnähme Begleiter!

Kari, Kari, wie gots de Testpersone ofem Wäg is drüü ? antworte!

Öpper esch am Aschlag - jetz scho leer - möcht eigentlech ned ufgee - aber ich mues ne zrogg schecke - antworte!


Unbedingt - keis Risiko igoo - antworte.
esch guet.

Sherpa Norbu, Norbu vo Kari anworte!

Im Lager 2 im erschte gäle Zält hets en Schlofsack - stimmt das? Antworte ! ...

Neuland am Pik Lenin (Tommy Dätwyler)

Es ist 7 Uhr - in der Schweiz noch 3 Uhr in der Nacht. Mit Ausnahme des Technischen Expeditionsleiters Kari Kobler, der bereis vor drei Wochen auf dem Gipfel des Pik Lenin gestanden hat - werden heute alle Expeditionsteilnehmer "persönliches Neuland" betreten. Im Lager 2 starten in diesen Minuten die Testpersonen auf 5300 m ihre zweitletzte Etappe Richtung Gipfel: Zwischen 13.00 und 14.00 Uhr werden sie das Lager 3 auf 6100 m erreichen und dort noch einmal medizinisch untersucht. Ebenfalls heute werden Expeditionsleiter Urs Hefti, Bergführer Claude Raillard und Matthias Gutmann vom Lager 3 aus einen Gipfelversuch starten. Sie haben vorgängig im Lager 3 die Forschung vorbereitet. Ihr heutiges Motto ist unmissverständlich: Wenns klappt: wunderbar. Falls es nicht klappt - dann ist das nicht weiter tragisch. "Kein Risiko - Das Leben ist zu schön um etwas zu riskieren das schwerwiegende Folgen haben könnte."

Ich schreibe diese Zeilen mit klammen Fingern und kalten Füssen im Lager 1. Ich habe mich bereits vorgestern entschieden, kein zweites Mal ins Lager 2 hochzusteigen und auf einen Gipfelversuch zu verzichten. Ich weiss, dass ich weiter oben - dort wo die Luft noch dünner, die Konzentration noch schwieriger, die Reduktion auf das Wesentliche noch wichtiger, das Erlebnis mit sich selbst und der Natur noch grösser und die Überwindungskraft noch wichtiger ist, dass ich dort nicht alles unter einen Hut - oder besser unter eine Kappe - gebracht hätte. Ich musste mich entscheiden: Berichterstattung oder Gipfelversuch. Mit der Einsicht, die Ausgangslage in einer "Projekt- Euphorie" unterschätzt zu haben, hatte ich irgendwie keine andere Wahl. So freue ich mich nun auf Neuigkeiten von weiter oben. Auf Funksprüche über Sorgen, Nöte und Freuden, über Juchzer von zufriedenen Berggängern und kaum zu verbergenden Enttäuschungen.

Beides hat seine Berechtigung - und beides spüre ich selber seit zwei Tagen auch. Vor ein paar Tagen habe ich vom Entweder-oder-Land geschrieben. Heute ists ein "Sowohl-als-auch-Land".
Ich berichte gerne über das was in den nächsten Stunden und Tagen hier erlebt wird!
Wenn nicht aus erster, dann halt aus zweiter Hand. Mein Trost im
Moment: Das Interesse vieler Zuhörerinnen und Zuhörer, vieler Web- Besucherinnen und Web-Besucher, vieler Leserinnen und Leser.
Tommy Dätwyler

Donnerstag, 6. August 2009

Der dritte Aufstieg ins Lager 2 (Jasmina Meier)

Trotz einer schlaflosen Nacht ging mir der dritte Aufstieg ins Lager 2 relativ ring. Im Lager 2 war es windstill - die Sonne brannte heute und wir bewegten uns wie lahme Fliegen. Vor unseren Zelten singen wir Schweizer Volkslieder und ich spiele Okarina dazu. Nun heisst es ausruhen, essen, den Rucksack richtig packen und schlafen. Morgen um 07.00 Uhr starten wir den Aufstieg ins Lager 3.
Jasmina Meier aus Lager 2

Mittwoch, 5. August 2009

*****-Restaurant oder Survivalküche? (Jasmina Meier)

Vom Lager 1 zum Lager 2 – nur eine Zahl Unterschied – doch welche Welten liegen zwischen diesen zwei Lagern? Nach den in 6 Stunden überwundenen 900 Höhenmetern sinkt der Komfort vom **** Restaurant mit Vollpension zur Survivalküche à la Selbstbedienung und das Lebensgefühl sowie der Puls steigt in dem gleissend weissen Gletscher- und Gipfelpanorama. Hier im Lager 1: Ein gemütliches Esszelt mit Tischen und fauteuilartigen Klappstühlen, dazu ein serviertes 3-Gang Menü – kurz – alles was das Herz begehrt. Dank Kari's Hit, der Rahmpistole, gibt’s sogar ein 'Kaffee Pik Lenin' mit Schuss und viel Rahm!

Von diesem Service können wir im Lager 2 nur träumen. Doch auch dort sind für uns alle Zelte bereits aufgestellt, was für ein Höhenlager auf über 5300 Luxus pur ist, und der Schneeboden muss nur noch leicht begradigt werden für eine relativ flache Liegeposition. Dieser Luxus wird einem spätestens dann bewusst, wenn man die Bergsteigerindividualisten mit ihren mind. 20 Kilo-Rucksäcken den Berg rauf keuchen sieht. Statt an den gedeckten Tisch zu sitzen, teilen meine Zeltpartnerin und ich uns die Aufgaben des Schneeholens und Kochens. Mit einem 35L Abfallsack voll Schnee kochen wir gerade mal knapp 3 Liter Wasser für unsere Thermosflaschen und das Essen im Fertigmenübeutel. Als Entree eine Flädlisuppe, ein paar Chips – das Salz des Lebens.

Das Leben im eng gassigen Bergdorf mit rund 80 Zelten am Schneehang gegenüber des Pik Lenin ist sowohl gemütlich als auch intim (jeder Furz ist öffentlich!). Der Ausblick aus dem Zelt ist wie eine Postkarte aus den Engadiner Skiferien. Immer wieder kommt ein garstiges Schneegestöber und wir verziehen uns in unsere Zelte oder tiefer in die Daunenjackekapuze.
Der Gipfel so nah über uns, ich glaube es kaum, dass da nochmal 2000 Höhenmeter dazwischen liegen. Ein kurzer Aufstieg in Richtung Lager 3 gibt jedoch bereits einen Vorgeschmack der zu erwartenden Windstärke und Anstrengung in den höheren Gefilden.

Mit dem schwäbischen Spruch meiner Mutter werde ich mich morgen erneut aufmachen – zum Lager 2 und dann – mögen uns die Götter wohlgesinnt sein – am 9. August Richtung Gipfel: „Kopf hoch, auch wenn dr Hals dreckig isch!“
Jasmina Meier

"Häsch Empfang?" (Jasmina Meier)

„Häsch du Empfang?“, „Jeah, ich ha es SMS übercho – sie dänked a mich!“ oder „Gits scho heisses Wasser zum wäsche?“ - das sind Sätze von heute morgen im Zeltdorf. Es ist wohlverdienter Ruhe-, Wasch-, und Duschtag – jedenfalls für die meisten – und vor den Zelten hängen nicht nur Schweizer-,Walliser- und Aargauerfahnen sondern Socken, Unterhosen und Hemden und die von gestern erprobten Expeditionsschuhe trocknen an der prallen Sonne. Doch Sonne und Schnee wechseln sich im Stundentakt à la SBB ab und es ist ein ständiges Rein- und Rausräumen.

Rein und raus ist auch das zweite Hauptthema des Tages: Es wird gepackt fürs Lager 2. In jedem Zelt herrscht Aufbruchstimmung: Alles Gepäck wird im Kopf gewogen, abgezählt und auf seine Wichtigkeit schamlos überprüft: Anzahl Fertigmenübeutel 'Rindfleischstroganoff mit Nudeln' oder 'Jägertopf mit Reis', Slipeinlagen, Powerriegel, Wäsche und Feuchttüchlein, Bisiflasche, persönliche Medikamente, Plastiksäcke zum Schnee holen… Die Hoffnung ist gross, dass der zweite Aufstieg trotz etwas schwererem Rucksack mit Mätteli und Schlafsack leichter sein wird als gestern, wo ich – wie gewettet – gerne sechs Beine gehabt hätte!

Es war ein enorm anstrengender Aufstieg und ich spürte die Höhe durch zunehmendes Kopfweh. Heimische Mostbröckli und Käse mit Darvida waren meine Rettung in der kurzen Pause im Lager II. Beim Abstieg konnte ich die Wahrheit jener Aussage der Höhenbergsteiger erahnen, dass der erklommene Gipfel nur der halbe Erfolg ist – der Abstieg ist nicht zu vergessen, und mit der ersten Schmerztablette meines Lebens bewegten sich meine Beine wie in Trance müde bergabwärts. Mit leichtem Halsweh ruhe ich im tropischen Zeltklima und versuche mich in Gelassenheit, guten Mutes und körperlich-geistig-emotionaler Entspannung und hoffe auf bleibende Gesundheit.
Jasmina Meier

Trau keinem Foto (Tommy Dätwyler)

Auf dem Bild des Pik Lenin - auch bei uns auf dem Internet - sieht der Aufstieg vom Hochlager 1 ins Hochlager 2 relativ gnädig aus ... Prädikat "machbar". In Tat und Wahrheit entspricht dieser Aufstieg "gegen eine Wand laufen". Ein happiger Brocken (den die Probanen jetzt bereits zwei Mal absolviert haben). Die Wand ist unglaublich steil - am frühen morgen wenigstens noch hart gefroren ... und der Anstieg will nicht aufhören und geht trotz Zeitlupenempo enorm an die Substanz. Der Atem geht schwer - die Gletscherspalten werden mit zunehmender Höhe immer grösser - während der letzten Aufstiegsstunde setzt der Blick auf das Lager 2 nocheinmal Kraft frei ... nach 6 Stunden hartem Aufstieg haben wir Lager 2 auf 5300 m erreicht - zum Glück stehen die Zelte bereits ... Wer schläft wo? Rein ins Zelt! Schlafsack ausrollen! Rucksack auspacken! Sofort in den Schlafsack um warm zu haben und nicht auszukühlen. Das Hämmern im Kopf negieren. Zwei drei Stunden warten, ausruhen. Draussen pfeift der Wind und drückt die Zeltwände zusammen. Während Sherpa Norbu die Toiletten baut (mit separatem Pissoir und Toiletten sowie Sicht- und Windschutz) heisst es Schnee schmelzen und Wasser kochen. Der Nachmittag und die anschliessende Nacht werden lang. Alles ist mühsam und kräftezehrend. Im Zelt kochen, Essen, Ankleiden, Raus aus den Schuhen und rein ins enge Zelt. Alles ist feucht und nass. Überwindung bei jeder Tätigkeit. Ans Schlafen mit Kappe habe ich mich gewöhnt - an die permanente Atemnot auch ohne Bewegung noch nicht.Tags darauf: Die Nacht war lang - für viele viel zu lang ... und um halb acht Uhr hat die Morgensonne das Forschungszelt bereits aufgewärmt. Die Forschercrew absolviert das happige Untersuchungsprogramm mit Akribie und hochmotiviert. Schliesslich heisst es "Nase in den Wind" - die ersten zwei- bis dreihundert Höhenmeter Richtung Camp 3 wollen rekognisziert werden. Steil über den Zelten hoch auf einen windigen Pass. Dann schliesslich heisst es umkehren, und über Hochlager 2 retour 1000 Höhenmeter runter ins Hochlager 1. Unten angekommen erzählen die Gesichter noch tausend andere Geschichten... Schöne Geschichten die Spuren hinterlassen haben. Der kommende Ruhetag lässt die Gesichter strahlen.. und der Respekt vor dem bevorstehenden Programm, den behalten die meisten für sich ...
Tommy Dätwyler

Sonntag, 2. August 2009

Vorher - nachher: Zwei paar Schuhe (Tommy Dätwyler)

Ein ereignisreiches Wochenende im Lager 1 geht zu Ende - ein erster Aufstieg der Probanden - der einige doch hart "getroffen" hat - dann die nicht ganz einfach Evakuierung eines erkrankten Kollegen - und schliesslich ein Sonntag, der zwar auch ein paar Stunden Sonne brachte, aber ebenso viel Arbeit ... morgen gilts ein weiteres Mal - und im gesteigerten Masse - ernst. Um vier Uhr in der Früh ab die Post... im Lager zwei stehen die Zelte zwar, doch jede Tasse Tee muss erkämpft, geschmolzen werden, die Kälte wird die Hitze beim Aufstieg ablösen und es wird immer schwieriger, gut für sich zu sorgen. Auch die erste Nacht auf 5300 Meter wird uns einiges abverlangen. Und ich gebs gerne zu: Da spielt auch eine grosse Portion Überwindung eine Rolle. Ach, wo ist sie gerade?
Vorher, nachher, das sind zwei verschiedene Paar Schuhe....
S schneit grad draussen - und im Moment stelle ich mir ein Feuer an der Aare vor - eine Servelat, die brutzelt, und ein lauer Sommewind, der das Laub der nahen Birke leise rascheln lässt.
Ich freu mich darauf. Auf was? Auf beides!
Tommy Dätwyler

Hochspannung vor Aufstieg ins Hochlager 2 (Matthias Gutmann)

Mein letzter Blogeintrag liegt bereits einige Tage zurück. Das liegt zum einen daran, dass mich meine Arbeit hier am Pik Lenin arg in Anspruch nimmt. Täglich bin ich auf Bilder- und Sujetsuche unterwegs, um die Expedition dokumentieren zu können. Ich komme mir vor wie ein Paparazzi. Dennoch macht diese Arbeit gewaltig Spass.
Zum anderen habe ich mir vor zwei Tagen die "Rache des Kirgisischen MagenDarmGottes" zugezogen. Der ist nicht ganz ohne und hat mich einigermassen geschwächt. Meine Aufenthaltsorte beschränkten sich auf zwei Lokalitäten hier im gut organisierten Lager eins - nämlich auf mein Zelt und die Toilette. Wobei zweiterer nicht der unbedingt tollste Ort hier oben ist. Das Ganze hat sich aber wieder normalisiert und ich fühle mich wieder wohl.
Nun bereite ich mich auf Lager zwei vor - Packen, Akkus der Fotogeräte laden und meine persönliche Habe zusammentragen. Morgen werde ich mit der gesamten Expeditionsgruppe ins Hochlager 2 hochsteigen. Bin gespannt was uns in diesen eisigen Höhen erwartet.
Matthias Gutmann