Mittwoch, 5. August 2009

Trau keinem Foto (Tommy Dätwyler)

Auf dem Bild des Pik Lenin - auch bei uns auf dem Internet - sieht der Aufstieg vom Hochlager 1 ins Hochlager 2 relativ gnädig aus ... Prädikat "machbar". In Tat und Wahrheit entspricht dieser Aufstieg "gegen eine Wand laufen". Ein happiger Brocken (den die Probanen jetzt bereits zwei Mal absolviert haben). Die Wand ist unglaublich steil - am frühen morgen wenigstens noch hart gefroren ... und der Anstieg will nicht aufhören und geht trotz Zeitlupenempo enorm an die Substanz. Der Atem geht schwer - die Gletscherspalten werden mit zunehmender Höhe immer grösser - während der letzten Aufstiegsstunde setzt der Blick auf das Lager 2 nocheinmal Kraft frei ... nach 6 Stunden hartem Aufstieg haben wir Lager 2 auf 5300 m erreicht - zum Glück stehen die Zelte bereits ... Wer schläft wo? Rein ins Zelt! Schlafsack ausrollen! Rucksack auspacken! Sofort in den Schlafsack um warm zu haben und nicht auszukühlen. Das Hämmern im Kopf negieren. Zwei drei Stunden warten, ausruhen. Draussen pfeift der Wind und drückt die Zeltwände zusammen. Während Sherpa Norbu die Toiletten baut (mit separatem Pissoir und Toiletten sowie Sicht- und Windschutz) heisst es Schnee schmelzen und Wasser kochen. Der Nachmittag und die anschliessende Nacht werden lang. Alles ist mühsam und kräftezehrend. Im Zelt kochen, Essen, Ankleiden, Raus aus den Schuhen und rein ins enge Zelt. Alles ist feucht und nass. Überwindung bei jeder Tätigkeit. Ans Schlafen mit Kappe habe ich mich gewöhnt - an die permanente Atemnot auch ohne Bewegung noch nicht.Tags darauf: Die Nacht war lang - für viele viel zu lang ... und um halb acht Uhr hat die Morgensonne das Forschungszelt bereits aufgewärmt. Die Forschercrew absolviert das happige Untersuchungsprogramm mit Akribie und hochmotiviert. Schliesslich heisst es "Nase in den Wind" - die ersten zwei- bis dreihundert Höhenmeter Richtung Camp 3 wollen rekognisziert werden. Steil über den Zelten hoch auf einen windigen Pass. Dann schliesslich heisst es umkehren, und über Hochlager 2 retour 1000 Höhenmeter runter ins Hochlager 1. Unten angekommen erzählen die Gesichter noch tausend andere Geschichten... Schöne Geschichten die Spuren hinterlassen haben. Der kommende Ruhetag lässt die Gesichter strahlen.. und der Respekt vor dem bevorstehenden Programm, den behalten die meisten für sich ...
Tommy Dätwyler

0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen